Große Zufriedenheit auf allen Seiten: Packender Rennsport, eine tolle Atmosphäre und herrliches Wetter machten das 58. Internationale Fischereihafen-Rennen am 24. und 25. Mai zu einem begeisternden Festival des Motorsports mit 25.000 Besuchern.
Donner gab es nur auf der Strecke: Das tiefe Grollen der hochgezüchteten 200-PS-Raubtiere in Klasse 1 (Fishtown Open). Das ohrenbetäubende Röhren und Knattern der bis zu 60 Jahre alten Raritäten im Corsa Speciale (Klasse 10).
Grummelnde Vierzylinder, röhrende Ein- Zwei- und Dreizylinder. Dazu der Jubel der Zuschauer, die nicht nur den Siegern oder Superbike*IDM-Vizemeister Max Neukirchner bei seinen rasanten Ehrenrunden mit Teamkollegen Damian Cudlin (Team Yamaha MGM), sondern auch Nachzüglern und Überrundeten applaudierten.
„Das ist der ‚Spirit of Fishtown’“, freute sich Renn-Organisator Hinrich Hinck: „Spannende Rennen, bei denen es ums Ganze geht – verbunden mit großer sportlicher Fairness unter Fahrern und Zuschauern. Natürlich geht es ums Gewinnen, aber eben auch ums Dabeisein. Alle zusammen machen das Fischereihafen-Rennen zu einem ganz besonderen Ereignis. Um so schöner, dass auch der Wettergott mitgespielt hat!“
In der Tat war Petrus 2015 ein Fischereihafen-Rennfan: Bis auf einen kurzen Schauer am Montagmorgen war die dominierende Himmelsfarbe weder Racinggrün noch Grau, sondern ein intensives Blau, verbunden mit frühsommerlichen Temperaturen. Entsprechend positiv entwickelte sich der Besuch: Die 20.000-Zuschauer-Marke aus den Vorjahren wurde mühelos überwunden und kletterte auf über 25.000.
Siegeswillen und Besonnenheit
Für Rennleiter André Straßburger (Wuppertal) war gerade die kurze „Wet Race“-Phase ein schönes Beispiel für die Besonnenheit unter den Fahrern: „Der Untergrund ist bei einem solchen Rennen naturgemäß besonders schwierig, und man muss individuell beurteilen, wie gut es mit Reifen, Maschine und Strecke in diesem Moment passt. Dass einige Fahrer bewusst wieder aus dem Feld herausfuhren, anstatt auf Biegen und Brechen durchzuziehen, verdient Anerkennung, ebenso wie die fahrerische Leistung der anderen.“
Kurze Zeit später hieß es, wie schon den gesamten Sonntag über: „Strecke trocken“, und es konnte bei besten Bedingungen gefahren werden. „Wir sind sehr zufrieden“, bilanzierte Straßburger. „Die Vorbereitung war hervorragend, und es war eine traumhafte Zusammenarbeit im Hafen. Alle Teamteile haben perfekt ineinander gegriffen. Für mich war es eine tolle Veranstaltung, und ich wäre sehr froh, wenn wir in dieser Zusammensetzung im nächsten Jahr wieder am Start wären.“
Dr. Achim Strassner, Leitender Rennarzt, hatte mit seinem Team am Montag sogar noch weniger zu tun als am Sonntag und zeigte sich entsprechend erfreut: „Es gab überhaupt keine Probleme auf unserer Seite“, so Strassner. „Außer wenigen leichten bis mittelschweren Verletzungen hatten wir nichts zu behandeln.“
Schnelle Rundenzeiten und Rekordsieger
Um so spektakulärer ging es in den Rennläufen zu. Hier sicherte sich Ausnahmefahrer Stefan Merkens (32) den Status als Rekordsieger im Hafen: Sowohl in Klasse 6 (Superbike Legends: The 80s) als auch in Klasse 8 (Superbike Legends: Big Classics) gewann er beide Rennläufe überlegen und steigerte seine Erfolgsbilanz auf sagenhafte 26 Siege.
Ein markantes Ausrufezeichen setzte Merkens auch in der „Königsklasse“ 1: Mit seiner MMT-getunten Yamaha 1200 RR von 1986 (!) fuhr er im ersten Rennen fast dem gesamten Feld mit topmodernen Superbikes davon und stand am Ende hinter Sieger Thilo Günther und vor Fritz Spenner auf Platz 2. Nur in der Gespannklasse 9, wo er als Beifahrer im Seitenwagen des Streckensprechers Ulf Staschel unterwegs war, konnte Merkens keinen Podestplatz erreichen: Technische Probleme verhinderten den Rennabschluss.
Thilo Günther wiederum hatte ebenfalls Grund zum Feiern: Nach dem Sieg im ersten Rennen der „Fishtown Superbike Open“ stand er in Rennlauf Nummer zwei als Zweiter neben Bruder und Team-GTR-Kollegen Moritz (Dritter) auf dem Podest und konnte auch in Klasse 2 (Fishtown Twins & Triples) bis auf Rang vier (zweites Rennen) vorfahren.
Den Rekord für die schnellste Runde durch den Hafen beim FHR 2015 sicherte sich jedoch erneut Julian Neumann aus Langenhagen bei Hannover: Mit 1:29:664 blieb der Sieger im zweiten Rennen der Klasse 1 trotz leicht geänderter Streckenführung durch eine stärker verlangsamende Schikane nur wenig hinter seiner Bestmarke aus 2014 (1:29:110) zurück.
Die Krone des „schnellsten Medienvertreters“ durfte sich Jens Kuck aufsetzen: Der RTL-2-Motorradexperte („Grip – das Motormagazin“) siegte im zweiten Rennen der Fishtown Twins & Triples.
20-fache Hochspannung
Doch nicht nur die genannten, sondern alle 20 Rennläufe (einschließlich des als Demolauf ausgeschriebenen Corsa Speciale) boten das, was die Zuschauer am „Fishtown Race“ so lieben: packende Überholmanöver, spektakuläre Kurvenfahrten, Top Speed auf den Geraden.
Und das auf einem Kurs, der bis Freitagmittag noch aus ganz normalen Straßen in einem Hafen-Gewerbegebiet bestand. Erneut war Streckenmeister Andreas Seebeck und seinem Team die Verwandlung zum „Monaco des Nordens“ mit Bravour gelungen.
Über 2.000 Strohballen verschiedener Größen, mehrere hundert Meter Air Fences, Curbs zur Abschrägung der Bordsteine und mit einer Spezial-Kunstharzmischung gesicherte Gullideckel sowie diverse Absperrungen sorgten für ein hohes Sicherheitsniveau.
„Kleine TT“ und Zuschauermagnet
Statt mit dem berühmten Formel-1-Stadtkurs in Monaco verglich DMSB-Sportkommissar Wilfried Kasper (Ahrbrück) das Bremerhavener Traditionsrennen lieber mit der größten Legende im Motorrad-Road-Racing.
„Für mich ist das ‚Fishtown Race’ die kleine ‚Isle of Man’ – nur mit einem deutlich höheren Sicherheitsniveau“, so Kasper: „Das Fischereihafen-Rennen ist die zweitgrößte Zuschauerveranstaltung im deutschen Motorradsport. Die Begeisterung, die hier herrscht, ist der Wahnsinn. Moderate Preise, die sich jeder leisten kann, ganze Familien kommen mit Kindern und Hund, und alle erleben Motorsport zum Anfassen. Egal, wen man fragt, ob Händler, Fahrer oder Zuschauer: Das Fischereihafen-Rennen kennt jeder in Deutschland. Es ist eine absolute Kult-Veranstaltung!“
Dass auch die Sicherheits-Experten vom Internationalen Streckensicherungsclub Austria (ISSC) das Rennen loben, spricht für sich. Erneut waren die Österreicher per Reisebus mit 50 Leuten aus Salzburg angereist – und es hätten noch mehr werden können: „Für die Teilnahme als Streckenposten im Hafen gibt es bei uns eine regelrechte Warteliste“, so Helmuth Geletiuk, Leiter der Streckensicherung.
Schlussrunde mit ausgelassener Stimmung
Letzter Höhepunkt des Tages war die Schlussrunde, dank goldenem Abendlicht und einem reibungslosen Rennverlauf so schön wie lange nicht mehr. Erst eine umjubelte „Ehrenrunde“ von Organisator Hinrich „Hinni“ Hinck, dann eine ausgelassene und bunte Parade aller Mitwirkenden, von den Fahrern über die Helfer bis hin zu den Rettungswagen: Es erinnerte ein wenig an den Enthusiasmus des Fußball-Wochenendes, wo parallel zum Fischereihafen-Rennen Aufstiege und Klassenerhalte gefeiert wurden.
Unter Sektspritzern, „Burnouts“ mit lautstark verbranntem Reifengummi, Umarmungen und Applaus ging das 58. Internationale Fischereihafen-Rennen zu Ende. Neben der Freude über das gelungene Rennwochenende einte noch ein Zweites alle Feiernden: der Wunsch nach einem 59. Fischereihafen-Rennen an Pfingsten 2016.
Fotogalerie: Bilder von der Schlussrunde von Sabrina Adeline Nagel (www.siesah.de)
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