Heute ist das Bremerhavener Fischereihafen-Rennen eines der letzten echten Straßenrennen für Motorräder in ganz Deutschland – ein Motorsportereignis von internationalem Rang. Ein Blick zurück zu den Anfängen vor 65 Jahren.
Am 21. September 1952 röhrten zum ersten Mal die Motoren auf der „Heringstopf-Glitsche“, wie die Fahrer die Rennstrecke nannten. Mitten im Kern des Hafens fiel um 14 Uhr der Startschuss für das erste Bremerhavener Fischereihafen-Rennen.
„Ich hoffe, dass damit der Anfang für eine erfolgreiche Veranstaltung gemacht ist“, sagte der damalige Oberbürgermeister Hermann Gullasch. Bevor jedoch das erste Zeichen zum Start gegeben wurde, mussten umfangreiche Vorbereitungen zur Sicherheit der Zuschauer und der Fahrer getroffen werden.
Die Strecke wurde mit rund 1500 Fischkisten abgesperrt, 280 Strohballen dienten zur Kurvenbefestigung.Die gesamte Ausführung lag in den Händen des Motorsport-Clubs Unterweser, in enger Zusammenarbeit mit der Fischereihafen-Betriebsgesellschaft. In heute kaum mehr vorstellbaren vier Wochen wurde die Veranstaltung organisiert. Über 300 Helfer von Feuerwehr, Polizei, Deutschem Roten Kreuz und Technischem Hilfswerk sorgten für einen reibungslosen Ablauf.
Schietwetter im September 1952
Trotz ausgesprochen schlechter Witterung fanden an diesem Septembertag im Jahre 1952 über 7000 Zuschauer ihren Weg zur Premiere. Extra für das Rennen hatte die Straßenbahn einen Pendelverkehr eingerichtet. Auf Verladerampen, Eisenbahnwagons und allen möglichen und unmöglichen Stellen fanden die Schaulustigen Platz. Der Eintritt betrug „nur“ 1,49 DM (durch den Preis unter 1,50 wurde die Vergnügungssteuer umgangen).
1,4 Kilometer lang war der Rundkurs – auf der 600 Meter langen Wittlingsstraße konnten die Fahrer den Gashahn ordentlich weit aufdrehen.
64 Teilnehmer schoben ihre Maschinen in sechs Klassen bei strömendem Regen an den Start. Sogar aus Kassel, Köln oder Gütersloh waren Rennfahrer nach Bremerhaven angereist (heute melden Teilnehmer unter anderem aus Irland, Schweden und Finland). Die Fahrer hatten dabei nicht nur mit dem bei Nässe besonders anspruchsvollen Blaubalast-Pflaster zu kämpfen – sondern auch mit Fischteilen, die auf der Straße lagen; heute natürlich undenkbar.
Voller Erfolg
Trotz mancher Widrigkeiten: Das erste Bremerhavener Fischereihafen-Rennen wurde ein voller Erfolg. Mit dem Ehepaar Heinrich und Helga Nordmann (Seitenwagen) und Günter Schulte (Klasse 250 ccm) fuhren auch einige Bremerhavener Teilnehmer als Erste über die Ziellinie.
Anders als heute war für eine große Abschlussrunde mit allen Fahrern keine Zeit: Schon um 18 Uhr musste die Strecke „klar Schiff“ gemacht werden, damit der Fischbetrieb im Hafen wieder voll anlaufen konnte. Die einkommenden Fischerei-Fahrzeuge und der anzulandende Frischfisch konnten nicht warten.
Faszination. Seit über 60 Jahren.
Das erste Bremerhavener Fischereihafen-Rennen im September 1952 war die Geburt einer einzigartigen Rennsport-Tradition. Von 1952 bis 1990 gehörte das Fischereihafen-Rennen fest zum deutschen Motorsport-Kalender; zeitweise fanden sogar zwei Fischereihafen-Rennen in einem Jahr statt.
Trotzdem verschwand die beliebte Traditionsveranstaltung nach dem Fischereihafen-Rennen 1990. Im Jahr 2000 belebten Hinrich „Hinni“ Hinck und die MSG Weserland das Rennen an der historischen Stelle neu. Seitdem findet das Rennen regelmäßig an Pfingsten statt.
Heute ist die über 60 Jahre alte Tradition lebendiger denn je. Der Kurs ist mittlerweile 2,7 Kilometer lang, und längst wird die Sicherheit nicht mehr mit Fischkisten am Streckenrand hergestellt.
Doch die Start-/Zielgerade ist immer noch dieselbe wie beim allerersten Mal. Und ebenso ist es mit der Faszination. Unmittelbar wie kein anderes zieht das Fischereihafen-Rennen seine Besucher in den Bann. Laut. Roh. Echt.